Editor’s Notes

Rausch gehört zum Leben. Wer sagt denn das?

Text & Collage:
Oliver Schwarzwald

Editorial #8

Rausch gehört zum Leben!

Ja genau wo kommt dieser allgegenwärtige Satz eigentlich her? Von Nietzsche vielleicht. Oder Dionysos? Oder von uns selbst – wenn es im Kopf und Seele zu eng wird.

Nietzsche sah im Rausch keine Schwäche, sondern eine Kraft.
Für ihn war der dionysische Rausch allerdings kein Konsum,
sondern ein Zustand, in dem sich das Ich auflöst: in Musik, in Tanz, in Ekstase. Eine Bewegung hin zur Auflösung und nicht zur Betäubung.
Ein Versuch, das zu überwinden, was uns oft trennt: Unser selbst.

Vielleicht ist das der Kern: Wir sind endlich – in einem unendlichen Universum. Wir denken das Große, aber fühlen unsere Grenzen.
Diese Spannung erzeugt Druck. Und Rausch ist ein Versuch, ihn zu lösen. Wenn auch nur für einen Moment.

Dabei geht es nicht nur um Philosophie. Auch neurobiologisch sind wir auf Schutz programmiert. Soziale Nähe war für den frühen Menschen Risiko. Offenheit konnte tödlich enden. Unser Körper reagiert bis heute darauf: mit Zurückhaltung, mit Stress. Der Parasympathikus braucht Sicherheit, um Verbindung zuzulassen.
Introverts welcome!

Aber Alkohol wirkt hier wie eine Abkürzung. Er überbrückt, was eigentlich angeschaut werden müsste: Angst, Unsicherheit, Kontakt.
Er wirkt aber er heilt nicht. Und genau deshalb ist er so verführerisch. Und so lukrativ. Kurz: Sozialer Schmierstoff.

Vielleicht haben alle großen Denker versucht, genau das zu verstehen:
Die Angst vor dem Fremden, die Sehnsucht nach Nähe,
die Schwierigkeit, wirklich verbunden zu sein. Nietzsche im Rausch.
Kierkegaard in der Angst. Spinoza in der Klarheit.

Rabbi Shai Held sagt: „Hinter Sucht steckt kein Hunger nach einer Substanz. Sondern nach Verbindung.“

Und genau das hat eine Industrie längst verstanden.
Sie zielt nicht auf Genuss. Sondern auf unsere Unsicherheiten.
Auf die Angst, nicht dazuzugehören. Auf das Bedürfnis nach Nähe
perfekt verpackt und beworben mit Freiheit.

Vielleicht geht es am Ende gar nicht um das Entkommen.
Sondern um die Verbindung zu uns selbst, zueinander, zur Welt.

Rausch, spiritueller Natur – so verstehe ich das – kann dabei ein Teil sein. Wenn wir darin aufgehen, wenn er nicht betäubt, sondern etwas in uns öffnet. Ob innere Arbeit, kreativer Prozess im Flow, der Raum und Zeit vergessen läßt. Das kindliche Spiel, es gibt sie die Form die uns direkt mit unserem Innersten verbindet. Aber sie kostet Kraft.
Und oft auch Disziplin. Ein Wort, das schnell nach Strenge klingt aber vielleicht nur meint: Nicht ständig aufs Handy schauen. Sich Müßiggang erlauben. Bei sich bleiben. Gut zu sich sein.

Und vielleicht liegt genau darin die Entscheidung:
Ob wir der verlockend einfachen Illusion folgen oder der Erfahrung, die uns wirklich trägt.

Cheers Oliver Schwarzwald April 2025

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